Die wahre Macht auf dieser Welt

Es war einmal irgendwo in einem tiefen dunklen Wald.
In diesem Wald lebte sie: eine kleine Hexe.
Die kleine Hexe war immer so traurig,
denn ihr Leben wurde von einem garstigen Zauberer beherrscht.
Der Zauberer war groß und stark und die kleine Hexe
fühlte sich oft hilflos und einsam.
Und immer, wenn sie einsam und traurig war,
ging sie tiefer in "ihren" Wald hinein.
Bei einem ihrer Spaziergänge bemerkte die kleine Hexe
etwas Sonderbares:
Einen Baum, den sie noch nie zuvor gesehen hatte.
Dabei dachte sie immer, sie kenne jeden Grashalm in dem Wald.
Verwundert schaute sie den Baum an.
Sie fühlte sich auf seltsame Art und Weise von ihm angezogen.
Langsam ging sie Drumherum; vorsichtig tastend fuhren
ihre Finger über die harte, rissige Rinde des Baumes.
Da bemerkte sie eine winzige Öffnung, einen Spalt im alten Holz
des Baumes.
Neugierig, wie die kleine Hexe nun mal war,
streckte sie vorsichtig ihren Zeigefinger in die Ritze.
Erschrocken fuhr sie zurück, denn in dem Baum fing es
mit einem mal an zu vibrieren und wie aus dem Nichts
drang aus dem Stamm ein wunderschönes warmes Licht.
Die kleine Hexe schaute ängstlich und wartete ab,
was nun passieren würde.
Das Licht wurde strahlender und mit einem mystischen Raunen
erschien auf einmal ein Mann vor der Hexe. Die kleine Hexe
zitterte, da sie ja nicht wusste, was hier geschah.

"Hab´ keine Angst, kleine Hexe“,

sprach sie der Mann mit wunderschöner Stimme an.

"Ich bin ein Elfenkönig und ein böser Magier hat mich vor vielen
Jahren in diesen Baum verbannt. Viele Leute sind seitdem an mir
vorüber gegangen, aber deine Neugierde hat mich gerettet."

Die kleine Hexe schaute den Elfenkönig verwundert an.
Eigentlich hatte sie sich einen Elf immer anders vorgestellt,
aber dieser, der hier vor ihr stand, zog sie mit seinen
wunderschönen blauen Augen in einen einzigartigen Bann.

"Was tun wir jetzt, Elfenkönig? Wenn der Zauberer uns hier findet,
wird er uns beide in Eis verwandeln",

sprach die kleine Hexe.
Aber der König der Elfen war ein mutiger Mann und er fühlte
die eigenartige Vertrautheit, die zwischen ihnen war.

"Komm, kleine Hexe, lass uns fliehen",

sprach er.

"In meinem Elfenreich regiert nicht das Böse wie hier,
denn es ist ein Reich voller Frieden und Liebe".

Die kleine Hexe reichte dem Elfenkönig vorsichtig
und noch ein wenig unsicher ihre Hand.

"Ja, Elfenkönig, nimm mich mit in dein Reich,
lass´ mich alles Schreckliche hier vergessen."

Die beiden hasteten los, quer durch den Wald,
über Steine und Wurzeln, nichts konnte sie aufhalten.
Die Hoffnung auf eine bessere Welt trieb sie an,
schneller und schneller zu laufen.

"Halt!"

schrie da auf einmal eine tiefe, bedrohliche Stimme.

"Wo wollt ihr hin?"

Voller Schrecken blieben die beiden stehen, wussten sie doch,
dass der böse Magier direkt hinter ihnen war.

"Ihr wisst: jeder, der versucht, aus meinem Wald zu fliehen,
wird in Eis verwandelt"

Ohne abzuwarten sagte der Magier seinen Spruch:

"Feinde sind, die meinen Wald verlassen, denn ich bin böse,
kann nur noch hassen.
Kleine Hexe und Elfenkönig wollten mich narren,
deshalb müssen sie zu Eis erstarren"

Die kleine Hexe spürte,
wie die Eiseskälte langsam in ihr hoch kroch.
Sie schaute ihren Elfenkönig an;
sah, wie seine wunderschönen blauen Augen von dieser Kälte
erfasst wurden.

"Nein!"

schrie da die kleine Hexe aus vollem Hals.
Tief in ihrer Brust spürte sie ein Gefühl,
dass sie bis dahin nicht gekannt hatte.
Ein Brennen, heißer als es ein Feuer je verursachen konnte.

"Nein!"

schrie sie noch einmal und die Hitze in ihr wuchs.

"Du hast nicht mehr länger Macht über mich, böser Magier,
denn ich habe etwas, das sehr viel stärker ist
als deine Eiseskälte. Ich trage die Kraft der Liebe in mir
und meine Sehnsucht wird dein Eis für immer schmelzen!"

Der Magier lachte laut auf:

"Ha! Kleine Hexe, dann zeig mir deine große Kraft!
Wenn du es schaffst, den Elfenkönig aus dem ewigen Eis zu retten,
will ich euch ziehen lassen,
denn dann hast du wirklich eine Kraft,
die stärker ist als die meinige.
Aber das haben schon viele vergeblich versucht!"

Höhnisch lachte er die kleine Hexe mit seinen bösen Augen an,
obwohl ihn wunderte, dass sich dieses zierliche Geschöpf länger
gegen seine Macht erwehren konnte als bisher irgendjemand.
Die kleine Hexe ließ sich dadurch nicht beirren, spürte sie doch,
dass dieses Brennen, dieses Gefühl, immer stärker wurde.
Sie kannte derartige Empfindungen nicht.
Sie ging auf den inzwischen ganz erstarrten König zu.
Vorsichtig legte sie ihre Hand auf die Stelle des Eises,
wo das Herz des Elfen sein musste.
Sie konzentrierte sich auf das heiße Brennen in ihr
und sie fühlte, wie die Hitze durch ihren ganzen Körper floss.
Ein seltsames goldenes Glühen übergoss die kleine Hexe.

"Ich liebe dich, Elfenkönig",

sprach sie,

"und diese Liebe hat die Macht, das Eis zu brechen -
alles zu brechen, was sich zwischen uns stellt.
Darum lass mich diese Worte sprechen:
Das Eis, es soll hinfort nun geh'n, und unsre Liebe soll besteh'n!"

Ein Zittern durchlief die kleine Hexe, als sich ihre ganze Liebe,
alles was sie an Gefühlen in sich trug, auf den erstarrten
Elfenkönig übertrug. Da geschah es: Das Eis, es bekam Risse,
fing an abzubröckeln. Die kleine Hexe legte die ganze Kraft
ihres Herzens in diese eine allgewaltige Berührung. Sie sah,
wie wieder Leben in den Elf kam.
Seine Augen fingen wieder an zu leuchten.
Er fing an, sich zu bewegen. Wollte Worte formen,
doch es ging noch nicht.
Die kleine Hexe beugte sich zu ihm und küsste ihn ganz sacht.
Ihre Liebe ließ auch den letzten Rest des Eises zerschmelzen.

"Ich liebe dich, kleine Hexe",

sprach er,

"deine Kraft und diese Liebe in uns haben uns gerettet und
kein böser Magier der Welt kann uns je wieder was antun können."

Die kleine Hexe drehte sich noch einmal zu dem bösen Zauberer um,
doch dieser war angesichts der Liebe der beiden an seiner eigenen
inneren Kälte erstarrt.
Die kleine Hexe und der Elfenkönig jedoch nahmen sich bei der Hand
und verließen diesen dunklen, kalten Ort, wussten sie doch,
dass am anderen Ende des Waldes ein neues, gemeinsames Leben
auf sie wartete. Ein Leben in Glück und Liebe.

Und wenn du mal in den Wald gehen solltest,
sei ganz leise,
dann kannst du vielleicht den Satz hören
den die beiden sich zugerufen haben,
denn dieser Satz hat die beiden
und die ganze restliche Welt verändert...

"ICH LIEBE DICH"

 

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